Philippine Bausch wird am 27. Juli 1940 in Solingen geboren. Ihren Kosenamen Pina erhält sie später. Die Eltern betreiben in Solingen eine Gastwirtschaft, in dem sie und ihre Geschwister, mithelfen. Sie lernt, Menschen zu beobachten. Ihre Begabung für Tanz und Bewegung fällt Leuten vom Theater auf, die ihr einen Platz beim Kinderballett verschaffen. Nach den ersten Erfahrungen im Solinger Kinderballett, beginnt Pina Bausch im Alter von 14 Jahren ihre Tanzausbildung an der Essener Folkwang Hochschule unter Kurt Jooss. Kurt Jooss ist ein bedeutender Vertreter der deutschen Tanzmoderne, der sich von den Fesseln des klassischen Balletts befreite. Sie erlernt das Betreten kreativer Freiräume ebenso wie das Beherrschen einer klaren Form. Sie erlernt hier eine exzellente Tanztechnik. Wichtig ist die Nachbarschaft zu anderen Künsten, die ebenfalls gelehrt werden.
1958 wird sie mit dem Folkwang-Leistungspreis ausgezeichnet. Sie geht, ausgestattet mit einem Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes, für ein Jahr an die Juilliard School of Music nach New York. Wann immer möglich besucht sie Vorstellungen und nimmt alle Strömungen in sich auf. Begeistert von der Vielfalt des künstlerischen Lebens in New York, verlängert sie ihren Aufenthalt um ein weiteres Jahr. Antony Tudor engagiert sie an die Metropolitan Opera. Die Nähe zur Oper und der Respekt vor der Musiktradition wird in ihrem späteren Werk ebenso eine Rolle spielen wie etwa die Liebe zum Jazz.
Gründung des Tanztheater Wuppertal Pina Bausch
Nach zwei Jahren bittet Kurt Jooss sie, nach Essen zurückzukehren. Es ist ihm gelungen, das Folkwang-Ballett (später Tanzschule) wieder zu beleben. Pina Bausch tanzt in älteren und neuen Werken von ihm, steht ihm auch choreographisch in seiner Arbeit zur Seite. Da es an genügend Stücken für das Folkwang-Tanzstudio fehlt, beginnt sie selbst zu choreographieren und entwickelt Stücke. Als Gast choreographiert sie erste Arbeiten für Wuppertal. Zur Spielzeit 1973/74 engagiert sie der Wuppertaler Intendant Arno Wüstenhöfer als Choreographin des Wuppertaler Balletts. Dieses benennt sie ganz schnell in Tanztheater Wuppertal um. Die Bezeichnung ist Programm. Sie steht für eine Abkopplung von bloßer tänzerischer Routine und eine völlige Freiheit in der Wahl der Ausdrucksmittel. In schneller Folge entwickelt Pina Bausch neue Genres. Mit den Opern „Iphigenie auf Tauris“ (1974) und „Orpheus und Eurydike“ (1975) erarbeitet sie erstmals zwei Tanzopern. Danach folgen weitere Opern-Stücke.
Zu einem Meilenstein wird ihre Choreographie von Igor Strawinskys „Le Sacre du printemps“ (1975). Die emotionale Wucht und physische Unmittelbarkeit dieses Stückes werden zu Kennzeichen ihrer Arbeit. Das führt in den ersten Jahren zu Verstörungen bei Presse und Publikum. Doch von Anfang an beweist Pina Bausch neben dem Talent zur Dramatik auch Humor, wofür der Brecht/Weill-Doppelabend mit „Die sieben Todsünden der Kleinbürger und fürchtet Euch nicht“ von 1976 steht. Im zweiten Teil treten auch die Männer in Frauenkleidern auf. Sie spielt mit Rollenklischees. Ebenso unterhaltsam wie amüsant.
Auf der Suche nach einer eigenen Bild- und Bewegungssprache
1978 verändert sie ihre Arbeitsweise. Vom Bochumer Regisseur Peter Zadek eingeladen, soll sie ihre Version von Shakespeares Macbeth erarbeiten. Ein großer Teil des eigenen Ensembles mag aber ihrer Arbeit nicht weiter folgen. Also besetzt sie die Auftragsinszenierung mit nur vier Tänzern, fünf Schauspielern und einer Sängerin. Mit choreographiertem Material kann sie in dieser Besetzung nicht arbeiten, also beginnt sie, ihren Darstellern Fragen rund um das Thema des Stücks zu stellen. Das Ergebnis wurde am 22. April 1978 in Bochum uraufgeführt. Es ging beinahe im Proteststurm der Zuschauer unter. Doch Pina Bausch hat mit diesem ungewöhnlichen Schritt endgültig ihre Arbeitsform gefunden. Ihre traumhaft, poetischen Bilder- und Bewegungssprachen begründeten rasch ihren weltweiten Erfolg. Es nimmt den Zuschauer in seinem Alltagsleben ernst und bestärkt zu gleich seine Hoffnung, dass alles sich zum Guten wenden kann. Dafür allerdings ist er selbst aufgerufen, die Verantwortung zu übernehmen.
Im Januar 1980 stirbt Pina Bauschs langjähriger Lebensgefährte Rolf Borzik. Er hat in den Anfangsjahren mit seinen Bühnenbildern und Kostümen wesentlich das Gesicht des Tanztheaters geprägt. Allmählich wird klar, worum es dem Tanztheater geht: nicht um Provokation, sondern mit Pina Bauschs Worten: „um etwas, in dem wir uns treffen können“. International entstehen zahlreiche Koproduktionen mit dem Tanztheater. Die anfänglich so umstrittene Arbeit hat sich endgültig zu einem Welttheater entwickelt.
Pina Bausch gehört zu den bedeutendsten Choreographinnen der Gegenwart
Es ist kein Theater, das belehren will, sondern dass eine Erfahrung des Lebens herstellen will, die jeder Zuschauer eingeladen ist, zu teilen. Großzügig ist dieses Welttheater, gelassen in der Weltwahrnehmung und äußerst charmant im Umgang mit seinem Publikum. Für ihre Arbeit wird Pina Bausch mit zahlreichen Preisen und Ehrungen ausgezeichnet, u.a. mit dem Bessie Award in New York (1984), dem Deutschen Tanzpreis (1995), dem Theaterpreis Berlin (1997), dem Praemium Imperiale in Japan (1999), dem Nijinsky-Preis in Monte Carlo, der Goldenen Maske in Moskau (2005) und dem Goethe-Preis der Stadt Frankfurt/Main (2008). Im Juni 2007 erhält sie für ihr Lebenswerk einen Goldenen Löwen der Biennale in Venedig, im November des gleichen Jahres den angesehenen Kyoto-Preis. Die deutsche Regierung ehrt sie mit dem Großen Verdienstkreuz (1997). Zahlreiche Universitäten verleihen ihr die Ehrendoktorwürde.
Am 30. Juni 2009 endet Pina Bauschs Lebensreise. Ihr Werk zeichnet sie aus als eine der bedeutendsten Choreographinnen des 20. Jahrhunderts. Ihre Verknüpfung von poetischen und Alltagselementen beeinflusst entscheidend die internationale Tanzentwicklung. Weltweit mit den höchsten Preisen und Ehrungen ausgezeichnet, zählt Pina Bausch zu den bedeutendsten Choreographinnen der Gegenwart.
Bis zum nächsten Mittwoch
Eure Antonia xx