In diesem Beitrag widmen wir uns heute unter dem Hashtag #WomensCrushWednesday Hannah Arendt.
Hannah Arendt (ext. Link zu Wikipedia) wird als Tochter des Ingenieurs Paul Arendt und dessen Frau Martha in Linden, bei Hannover, am 14. Oktober 1906 geboren. Sie wächst in einem sozialdemokratischen jüdisch-assimilierten Elternhaus in Königsberg auf. 1924 begann sie Philosophie und im Nebenfach Theologie zu studieren. Zunächst in Marburg, später dann in Freiburg und Heidelberg. Auf Vermittlung von Martin Heidegger wurde sie 1928 von Karl Jaspers promoviert. Sie schrieb für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ und befasste sich mit Rahel Varnhagen von Ense, einer intellektuellen Jüdin der Romantik. Im Jahr 1929 zog sie nach Berlin, wo sie den Philosophen Günther Anders heiratet. Die Ehe wurde 1937 geschieden.
„Das Böse ist immer nur extrem, aber niemals radikal, es hat keine Tiefe, auch keine Dämonie. Es kann die ganze Welt verwüsten, gerade weil es wie ein Pilz an der Oberfläche weiterwuchert. Tief aber und radikal ist immer nur das Gute.“
Früher als viele andere, schon 1931, ging Hannah Arendt davon aus, dass die Nationalsozialisten an die Macht kommen würden. Anders als die meisten Deutschen vertrat sie schon 1933 die Auffassung, dass das Regime aktiv bekämpft werden müsse. Nach einer kurzen Inhaftierung durch die Gestapo flieht die junge Frau 1933 nach Frankreich und flüchtete 1941 mit Ehemann und Mutter weiter über Lissabon nach New York. Die Erfahrung, Flüchtling und Staatenlose zu sein hat sie politisch nachhaltig geprägt. Sie beginnt mit Forschungen zur deutschen Romantik, die durch ein Stipendium gefördert werden. Ihre Studien erscheinen erst 1959 unter dem Titel „Rahel Varnhagen. Lebensgeschichte einer deutschen Jüdin aus der Romantik“. Ihre erste Reise nach Palästina folgte 1935. Die zweite Ehe ging sie mit dem Philosophiedozenten Heinrich Blücher ein.
„Man könnte wohl sagen, dass die lebendige Menschlichkeit eines Menschen in dem Maße abnimmt, in dem er auf das Denken verzichtet.“
Ab 1941 schrieb sie politische Kolumnen für die deutsch-jüdische Wochenzeitschrift „Aufbau“. Von 1944 bis 1946 ist sie Forschungsleiterin der Conference on Jewish Relations gewesen. Die nächsten drei Jahre leitete sie als Cheflektorin den Salman Schocken Verlag. In der Zeit als Direktorin der Jewish Cultural Reconstruction Organization zur Rettung jüdischen Kulturguts, reist sie 1949/50 erstmals nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wieder nach Deutschland. Endlich erhält Hannah Arendt 1951 die amerikanische Staatsbürgerschaft. Aus ihr wurde eine leidenschaftliche amerikanische Staatsbürgerin. In ihrem Hauptwerk „Origins of Totalitarianism“ verbindet sie die Entstehungsbedingungen von nationalstaatlichem Totalitarismus im 19. Jahrhundert mit der Entstehung des Antisemitismus. Mit ihrem Totalitarismusbegriff untersucht sie außerdem die strukturelle Gleichheit von Faschismus und Stalinismus. Diese Arbeit etabliert sie als eine bedeutende gesellschafts- und politikwissenschaftliche Theoretikerin.
„Es gibt keine gefährlichen Gedanken, das Denken selbst ist gefährlich.“
Nach mehreren Gastvorlesungen in Princeton und Harvard erhält sie 1953 eine Professur am Brooklyn College in New York. 1958 wird sie korrespondierendes Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Ein Jahr später erhält sie den Lessing-Preis der Stadt Hamburg. Was tun wir eigentlich, wenn wir tätig sind? Die Hauptfrage von „Vita activa“ führt mitten hinein in die „Conditio humana“. Hannah Arendt hat dabei als eine der ersten nicht die Sterblichkeit des Menschen, sondern seine Natalität als zentrales Faktum begriffen. In ihrer handlungstheoretischen Untersuchung „Vita activa oder vom tätigen Leben“ unterscheidet sie drei Typen menschlicher Aktivität: die Arbeit, das Herstellen und das Handeln. Hannah Arendt analysiert, dass seit dem Beginn der Moderne die Arbeit zu Lasten der politischen Handlungsfreiheit überhöht wird.
„Gewalt beginnt, wo das Reden aufhört.“
Hannah Arendts Bericht über den Eichmann-Prozess 1961 ist und bleibt ihr umstrittenstes Werk: das Schlagwort von der „Banalität des Bösen“ ist oft als eine Entschuldigung der Täter aufgefasst worden. Sie wollte nicht, dass die Täter verteidigt werden, wohl aber die Welt, in der der Holocaust passieren konnte. 1961 hatte sie in Jerusalem als Reporterin am Prozess gegen den ehemaligen SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann teilgenommen. Ihr Beitrag über den Prozess erschien 1963 in der Zeitschrift „The New Yorker“ und als Buch mit dem Untertitel “ Ein Bericht von der Banalität des Bösen“. Darin beschreibt sie Adolf Eichmann als überzeugungslosen Technokraten, der sich als bloßes Werkzeug seiner Vorgesetzten stilisiert habe. Die Brutalität des banal Bösen bestehe in seiner organisierten Gedanken- und Verantwortungslosigkeit. Die Kontroverse um ihren Bericht entzündete sich auch an der Haltung der „Judenräte“. In ihren späteren Lebensjahren lehrte sie erneut an der University of Chicago. 1968 wurde sie zur Vizepräsidentin des Institute for Arts and Letters gewählt. Ihre letzte Studie „Macht und Gewalt“ veröffentlichte sie 1970. Am 4. Dezember. 1975 stirbt Hannah Arendt in New York.
„Kein Mensch hat das Recht zu gehorchen.“
Sie ist eine der großen politischen Denkerinnen des 20. Jahrhunderts: eigensinnig, angreifbar, aber immer anregend. Mit ihren hochintellektuellen Texten machte sie sich in den USA und später weltweit einen Namen: als Philosophin, Schriftstellerin, Publizistin und vor allem als Professorin für Politische Theorie. Sie schrieb umstrittene Bücher über den Eichmann-Prozess, Revolutionen und totalitäre Systeme. Und stellte radikal Traditionen und Ideologien in Frage. Nun widmet das Deutsche Historische Museum in Berlin Hannah Arendt eine Ausstellung. Ihrem subjektiven Blick folgt die Schau in 16 kurzweiligen Kapiteln. Das Anliegen: Kristallisationspunkte der Geschichte des 20. Jahrhunderts auf neue Weise darzustellen. Dafür eignet sich Hannah Arendts Werk tatsächlich bestens. Die Liste der Kontroversen, die die Intellektuelle ausgelöst oder befördert hat, ist lang. Am heftigsten war sicher die um ihr Buch „Eichmann in Jerusalem“, die weltweit geführt wurde und auch in der Ausstellung viel Raum einnimmt. Und noch etwas nimmt man von dort mit: wie wichtig es ist, eine begründete eigene Meinung zu haben. Gerade in Zeiten von Fake News, lancierten Themen und in Sozialen Medien erzeugter Massenhysterie sei Hannah Arendt ein wunderbares Gegengift.
„Denken ohne Geländer“
Treu geblieben ist sie sich ihr Leben lang, ist nie einer bestimmten Schule, Tradition oder Ideologie gefolgt. Ihr Denken, ist schwer einzuordnen und deshalb so interessant. „Man kann in diesem Denken eben immer wieder sowohl liberale als auch konservative und linke Anteile finden, so dass sie ganz schwierig auf einer politischen Seite zu verorten ist.“ Als ‚Denken ohne Geländer‘ hat Hannah Arendt das selbst bezeichnet. All das mache sie so lebendig: „Eben deshalb beschäftigt man sich so gerne mit ihr.“ Hannah Arendts Themen sind von bleibender Aktualität: die Ursprünge politischer Gewalt, die Unbegreiflichkeit des Bösen, die Menschenrechte von politisch Verfolgten und Flüchtlingen, der Sinn der Arbeit. Sondern vielmehr auch ihrem Ideal, uns mit der Welt, in der wir leben, aktiv auseinanderzusetzen. Für die Philosophin hätte der Nationalsozialismus nicht nur einen Zusammenbruch aller moralischen Werte bedeutet, sondern auch einen Zusammenbruch des Urteilsvermögens. Weil die Meinung gleichgeschaltet wurde. Weil man ‚wir‘ sagte und nicht ‚ich‘. Damit aber sei auch die Frage der persönlichen Verantwortung auf unpersönliche Instanzen abgeschoben worden.
Am 11. Mai 2020 eröffnete die Ausstellung „Hannah Arendt und das 20. Jahrhundert“ im Deutschen Historischen Museum. Bis zum 18. Oktober 2020 könnt Ihr vorbeischauen und einen Einblick in Hannah Arendts Leben erhalten. Es lohnt sich auf jeden Fall!
Bis zum nächsten Mittwoch
Eure Antonia xx