In diesem Beitrag widmen wir uns heute unter dem Hashtag #WomensCrushWednesday Marlis Petersen.
Marlis Petersen (ext. Link zu Wikipedia) gehört zu den bekanntesten Sopranistinnen unserer Zeit. 1968 in Sindelfingen geboren, fand sie erst spät zur Klassik. Als junges Mädchen hat sie die Kirchenmusik berührt, sie trat sogar in einen Kirchenchor ein. Richtigen Spaß aber hatte sie als Sängerin am Keyboard in einer Band. „Wir coverten die damaligen Hits von Whitney Houston bis Pink Floyd. Die Nächte waren lang, die Tage kurz“. Anfang der Neunzigerjahre sang sie in Hamburg sogar für die Grizabella in „Cats“ vor. Erst im Schulmusik-Studium in Stuttgart entdeckte sie die Opernwelt für sich. Marlis Petersen studierte nicht nur an der Musikhochschule Stuttgart Schulmusik und Gesang, sondern absolvierte zusätzlich eine Jazz- und Steptanzausbildung an der New York City Dance School. „Die Schulmusik mit Hauptfach Klavier hat enorm viel gebracht. Ich kann mir meine ganzen Opern selber einstudieren. Die Tanzausbildung an der New York City Dance School hilft für die dauerhafte Agilität auf der Bühne. Ich kann gar nicht gut singen, wenn ich mich nicht bewege. Meine ersten Liederabende fühlten sich wie ein Korsett an, weil man sich kaum bewegt. Heute weiß ich, dass es mit der inneren Bewegung geht.“
Eine „Opern-Spätzünderin“
Allerdings machte ihr dieses Studium anfangs das Singen schwer. „Da ging es erstmal den Berg runter, da war plötzlich die Stimme weg, die Natur weg, die Koloraturen weg, die Höhe weg. Weil plötzlich jemand da ist, der sagt, ‚Singen geht so und so‘, und man macht es dann nicht mehr aus Intuition und wie man’s spürt, sondern so: ‚Hier muss das sitzen, und der Mund muss auf sein, die Kehle auch und die Zunge flach` – alle diese Dinge. Man fängt an zu denken und dann ist alles weg. Das waren für mich schlimme anderthalb Jahre, bis ich einem Korrepetitor begegnet bin, der mich wieder auf die Bahn gebracht hat.“ Dieser Korrepetitor schickte sie in einen Kurs der Sängerin Sylvia Geszty: „Die Frau hat es geschafft, mich in zwei Wochen wieder voll einzurichten und mir noch ein Register obendrauf zu öffnen.“ Ihr erstes Engagement nach dem Studium führte sie 1994 an die Oper in Nürnberg. Dort sang sie die Königin der Nacht.
Aus gutem Grund gehört sie zu den führenden Sängerdarstellerinnen unserer Zeit.
1990 erhielt sie den Preis beim VDMK-Wettbewerb Berlin in der Sparte Oper-Operette-Konzert. Drei Jahre später einen weiteren Preis im Bereich Musical-Chanson-Song. Von 1998 bis 2003 war Marlis Petersen Ensemblemitglied der Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf/Duisburg. Eine zentrale Rolle in Marlis Petersens Opernlaufbahn ist Alban Bergs Protagonistin „Lulu“. 2002 gab sie als „Lulu“ ihr Debüt an der Wiener Staatsoper. Als Mozarts Königin der Nacht debütierte sie 2004 an der Bayerischen Staatsoper München und als Nachtigall am Grand Théâtre de Genéve in „Die Vögel“ von Walter Braunfeld. Im Sommer 2006 gastierte sie zum ersten Mal bei den Salzburger Festspielen mit Mozarts „Il re pastore“. Im März 2010 sprang sie innerhalb von zwei Tagen für die Premiere “Hamlet” in New York ein und wurde vom Publikum und den Medien als die sogenannte Retterin der MET gefeiert. Im gleichen Jahr wurde sie von der Zeitschrift Opernwelt zum zweiten Mal zur „Sängerin des Jahres“ gekürt. 2012 war sie überwiegend als Liedsängerin auf Tour.
Kaum jemand verkörpert abgründige Figuren so überzeugend wie Marlis Petersen.
Fast zwei Jahrzehnte lang faszinierte sie als „Lulu“. 2015 wurde sie für die „Lulu“ zum dritten Mal zur „Sängerin des Jahres“ gewählt. „Eine Rolle, die man besetzt und von der man besessen wird“. Bis zu jenem Tag, als sie ihr Limit erreichte. 2015 holte sie sich eine blutige Nase in der „Lulu“ an der Bayerischen Staatsoper: Im zweiten Akt war sie gegen eine Wand des Glas-Labyrinths geprallt. Mit gereichtem Taschentuch und Blutspritzern auf dem weißen Kleid zog sie professionell die Vorstellung durch und bewies ihre wahre Bühnennatur.
Was die Kunstwelt und das Publikum an Marlis Petersen fasziniert, ist ihre lupenreine, kristallklare Stimme, ihre Bühnenpräsenz und die Fähigkeit der vollständigen Identifikation mit ihren Rollen. Sie spielte bereits Klavier und Querflöte, bevor sie sich jenem Instrument zuwandte, mit dem sie heute ihre Zuhörer begeistert. Als Konzertsängerin ist Marlis Petersen auf allen großen Podien zu Gast. Gastspiele in Europa und den USA ermöglichten die Zusammenarbeit mit ausgezeichneten Dirigenten. Sie ist eine ebenso gefragte Sängerin für den Bereich der Zeitgenössischen Musik.
Eine unverwechselbare Stimme in der Opernwelt.
„Ich muss jetzt nach 25 Jahren Karriere eher schauen, dass ich Momente finde, wo ich wirklich einfach nicht singe. Schweigen wird immer wichtiger.“ Vor einem Konzert müsse sie als Sängerin sehr bewusst mit sich umgehen – Ruhe, Spazierengehen, frische Luft, das tut ihr gut. „Ich habe mir angewöhnt zu lauschen, was die Stimme heute braucht: Sing` ich mich schon morgens ein, wenn ich abends Konzert habe oder lasse ich den Morgen komplett zu meinem freien Raum werden und sing mich erst abends ein? Es ist wirklich sehr abhängig von dem Moment.“ Wenn es ihr Tourneeplan erlaubt, zieht sich Marlis Petersen nach Griechenland zurück. Sie lebt in Athen und auf der Halbinsel Peleponnes, wo sie ihre eigenen Oliven anbaut und mit Begeisterung erntet. Ihre Naturverbundenheit zeigt sich auch in ihrer CD-Trilogie „Dimensionen“. In den nächsten Jahren möchte sie sich vermehrt dem Genre Lied widmen. Geplant sind CD-Aufnahmen, Liederabende und Konzerte auf den weltweiten Podien.