Beate Uhse (später Rotermund) ist Pilotin im Zweiten Weltkrieg und Unternehmerin in der Bundesrepublik Deutschland. Ihr Anfang der 1950er Jahre gegründetes „Versandhaus Beate Uhse“ für den Vertrieb von Aufklärungsmaterial baut sie bis zu ihrem Tod zum börsennotieren, europaweit tätigen Konzern für Erotikartikel aus. Der von ihr befürwortete offene Umgang mit Sexualität und Erotik ist gesellschaftlich lange umstritten. Sie trägt zur Liberalisierung der Sexualmoral in der Bundesrepublik bei, aber auch zur Pornografisierung der Gesellschaft.
Am 25. Oktober 1919 wird Beate Köstlin in Ostpreußen auf bei Cranz als Tochter des Gutsbesitzers Otto Köstlin und seiner Frau, der Ärztin Margaret, geboren. Sie wächst zusammen mit zwei älteren Geschwistern auf. Beate besucht die Schule in Cranz und ab 1931 die reformpädagogische „Schule am Meer“ auf Juist und das Internat Odenwaldschule im hessischen Heppenheim. Sie arbeitet im Jahr 1935 als Au-pair-Mädchen in Großbritannien und anschließend erhält sie auf dem elterlichen Gut eine Ausbildung in Hauswirtschaft. Von 1937 bis 1944 lässt sie sich in Berlin zur Pilotin ausbilden. Als einzige Frau unter 60 Flugschülern erwirbt sie den Pilotenschein. Anschließend arbeitet sie als Praktikantin in der Firma Bücker Flugzeugbau in Rangsdorf. 1938 wechselt sie als Testpilotin zum Flugzeugwerk in Strausberg. Desweiterem wirkt sie als Stuntpilotin in einigen Filmen mit. Ihren ehemaligen Fluglehrer, Hans-Jürgen Uhse, heiratet sie am 28. September 1939. Aus der Ehe geht ihr Sohn Klaus hervor. Doch ging ihre Ehe leider zu Ende als bei einem Flugzeugunfall im Kriegseinsatz ihr Ehemann am 30. Mai 1944 tödlich verunglückt ist. Beate Uhse lässt sich nicht runterkriegen und ist von eine von wenigen Pilotinnen der Wehrmacht 1944-1945. Im April 1945 flieht sie gemeinsam mit ihrem Sohn und einem Kindermädchen mit einem Flugzeug aus Berlin. Nach Kriegsende verbringt sie sechs Wochen in britischer Kriegsgefangenschaft. Danach wird sie mit ihrem Sohn als Flüchtling in der Schulbücherei eines Dorfes untergebracht.
Unternehmerin der Lust
Aufgrund ihrer zahlreichen Kundenkontakte zur Landbevölkerung entwickelte sie bald ein besonderes Gespür für die privaten Probleme der Landfrauen. Nachdem sie zunächst kostenlose Aufklärungsbroschüren erstellt und verteilt hatte, startete sie 1946 in Flensburg ihre erste kommerzielle Aufklärungskampagne. Der von ihr verfasste Leitfaden zur Empfängnisverhütung stieß in den Nachkriegsjahren auf eine große Nachfrage bei den jungen Paaren, da es unter ihnen zahlreiche ungewollte Schwangerschaften gab. Im Jahr 1946 vertreibt sie selbstverfasste Handzettel mit dem Titel „Schrift X“, die Frauen über natürliche Empfängnisverhütung aufklärt. Ihre Exemplare verkauft sie 32.000 Mal zum Preis von 2 Reichsmark pro Stück. Im Oktober 1949 heiratet Beate Uhse zum zweiten Mal und zwar den Kaufmann Ernst-Walter Rotermund. Ihr gemeinsamer Sohn Ulrich kommt im gleichen Jahr zur Welt. Die Ehe wird 1972 geschieden. Mit einem neuen Nachnamen gründet Beate Rotermund am 22. Februar 1951 das „Versandhaus Beate Uhse“ als „Spezial-Versandhaus für Ehe- und Sexualliteratur und für hygienische Artikel“ in Flensburg. Unter dem Titel „Stimmt in unserer Ehe alles?“ erscheint der erste Beate-Uhse-Katalog 1952. Das Unternehmen übernimmt ein Labor für Arzneimittelkunde, um Präparate für den Vertrieb selber entwickeln zu können. In den folgenden Jahren erfolgen weitere Übernahmen, darunter ein Modewäscheatelier, eine Foto- und Filmgesellschaft, eine Druckerei, zwei Verlage und ein Reformhaus. Trotz aller Widerstände erwirtschaftet das „Versandhaus Beate Uhse“ erstmals über eine Million D-Mark Umsatz im Jahr 1965. Zeitgleich hatte Beate Uhses Unternehmen auch mit der Entwicklung neuester Techniken schrittgehalten, so dass die erotischen Artikel zunehmend auch Verbreitung über Telefon, BTX und Internet fanden. Mit der Expansion der neuen Medien wurden auch die Internetaktivitäten der Firma ausgeweitet.
Der erste und weltweit einzigartige Erotik-Konzern
Am 17. Dezember 1962 eröffnet in Flensburg das „Fachgeschäft für Ehehygiene“ mit Fachbuchhandlung, den ersten Sexshop der Welt. Zum Sortiment gehören Dessous, Magazine, Bücher, Verhütungsmittel pharmazeutische Präparate und Stimulationsartikel. Bis 1971 entstehen 25 weitere Geschäfte in der Bundesrepublik. Endlich kommt 1975 die Reform des Sexualstrafrechts in der Bundesrepublik. Das Unternehmen beginnt mit Produktion und Verleih von pornografischen Filmen. Der Jahresumsatz des Unternehmens liegt 1976 bei 60 Millionen D-Mark. Doch so sehr es beruflich steil bergauf ging, kam privat ein Schicksalsschlag erneut vor: 1983 diagnostizieren Ärzte bei ihr Krebs. In einer Operation muss ihr Magen entfernt werden. Ihre Autobiografie „Mit Lust und Liebe. Mein Leben“ aus dem Jahr 1989 erscheint. Am 1. November 1990 eröffnet der erste Sex-Shop in Ost-Berlin. Der Umsatz steigt 1990 auf 115 Millionen D-Mark. Im Verlauf der 1990er Jahre expandiert der Konzern auch nach Polen, Österreich, in die Schweiz, Ungarn, Spanien und Portugal. Beate Rotermund zieht sich aus der Geschäftsführung zurück. Am 19. Januar 1996 eröffnet das „Beate Uhse Erotik-Museums“ in Berlin. 1999 wurde sie mit der Errichtung einer öffentlichen Gedenktafel in Flensburg geehrt. Beate Rotermund wird im französischen Cannes mit dem Hot d’Or d‘Honneur, einem Preis der pornografischen Film-Industrie 2000 in Europa ausgezeichnet. Am 1. Mai 2001 nimmt der Pay-TV-Sender „Beate Uhse TV“ in seinen Sendebetrieb auf. Unerwartet stirbt Beate Rotermund am 16.Juli 2001 in einem Schweizer Krankenhaus an den Folgen einer Lungenentzündung. Mit der Summe aus ihrem Erbe entsteht die Beate-Uhse-Stiftung in Flensburg. Zweck der Stiftung ist pragmatische Hilfe für Menschen in Not.
Aufklärerin der Nation
Mit einem eigens geschaffenen Beate-Uhse-Unternehmerinnen-Preis sollten Frauen ausgezeichnet werden, die im Geschäftsleben Mut, Durchsetzungskraft, Kreativität, Geschäftssinn, soziales Engagement und Führungspersönlichkeit bewiesen haben. Für über fünf Jahrzehnte trug sie zur Emanzipation der Geschlechter und zur Reform der Sitten in der bundesdeutschen Gesellschaft bei. Dies brachte ihr aber auch eine langjährige Auseinandersetzung mit der Frauenbewegung ein. Der Erfolg beruhte auf der Geschäftsidee, erotische Handelsartikel durch solide Aufklärung und diskrete Versandbedingungen aus der Tabu-Zone herauszuholen und für den allgemeinen Markt zu erschließen. Indem sie von Anfang an Produkte unter ihrem eigenen Namen anbot, verlieh sie dem Versandverkauf eine persönliche und seriöse Note, die das Kundenvertrauen förderte.
Ihr Unternehmen hatte jahrzehntelang mit Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, Hausdurchsuchungen und Publikationsverboten für seine Kataloge zu kämpfen, bis die Strafrechtsbestimmung 1975 liberalisiert wurde. Gegen die Proteste aus Politik und Kirche setzte sie sich für eine Liberalisierung der Sittenvorschriften in Deutschland ein.