In diesem Beitrag widmen wir uns heute unter dem Hashtag #WomensCrushWednesday Alice Salomon.
Alice Salomon (ext. Link zu Wikipedia) wurde am 19. April 1872 als viertes Kind einer wohlhabenden jüdischen Kaufmannsfamilie in Berlin geboren. Ihr Vater Albert Salomon führte den traditionsreichen Lederhandel seiner Familie und ihre Mutter Anna Salomon kam aus der Breslauer Bankiersfamilie Potocky-Nelken. Alice Salomon wuchs in einem großbürgerlichen Haus auf und besuchte eine protestantische Töchterschule. Als sie nach neun Jahren die Schule regulär verlassen musste, war ihr wie vielen bürgerlichen Mädchen aus höheren Beamten-, Offiziers- und Kaufmannsfamilien weder der Besuch einer weiterführenden Schule noch eine Ausbildung oder ein Studium möglich. Ihrem Wunsch Lehrerin zu werden, konnte sie vorerst nicht erfüllen. Sie litt unter der ihr aufgezwungenen Untätigkeit und Langeweile. Die Wartezeit als junge Frau bezeichnete Alice Salomon in einer späteren Veröffentlichung als Verurteilung zum „Pflanzendasein“.
Sozialpädagogin von Weltrang
Als Alice Salomon 21 Jahre alt war, erhielt sie die Einladung zur Gründungsversammlung der „Mädchen- und Frauengruppen für soziale Hilfsarbeit“. Damit begann ihr richtiges Leben. So wurde sie Mitglied in der „Berliner Mädchen- und Frauengruppe für soziale Hilfsarbeit“. Dort engagierte sie sich in der Unterstützung junger Arbeiterinnen. Für die Vorsitzende Jeanette Schwerin wurde sie zur persönlichen Sekretärin. Diese machte sie auch vertraut mit den Zielen der bürgerlichen Frauenbewegung und deren Protagonistinnen. Als Jeanette Schwerin 1899 starb, übernahm Alice Salomon den Vorsitz und damit auch eine führende Rolle in der bürgerlichen Frauenbewegung. Sie wurde schnell national wie international aktiv. Bereits 1896 nahm sie am Internationalen Kongress für Frauenwerke und Frauenbestrebungen in Berlin teil.
Ein Leben für die Bildung und die Frauen
Im Oktober 1899 startete der erste Jahreskurs der Mädchen- und Frauengruppen zur beruflichen Ausbildung in der Wohlfahrtspflege. Bereits im Jahr 1900 wurde Alice Salomon als eines der jüngsten Mitglieder in den Vorstand des BDF (Bund deutscher Frauenvereine) gewählt. Von 1900 bis 1920 wirkte sie erst als Schriftführerin und dann als stellvertretende Vorsitzende des BDF mit. Ihre Wahl zur Vorsitzenden scheiterte an antisemitischen Strömungen, doch davon ließ sie sich nicht hindern. Im Jahr 1901 arbeitete sie mit am zweiten Band des Handbuchs der Frauenbewegung und soziale Frauentätigkeit in Deutschland. An den „International Council of Women“ (ICW), nahm sie in London 1899 und Berlin 1904 begeistert teil. Auf dem Kongress in Berlin 1904 wurde eine ständige Kommission zum Thema Frauenstimmrecht und Bürgerrechte eingerichtet, die Alice Salomon als „revolutionär“ bezeichnete, denn das „Frauenwahlrecht war eine höchst kontroverse Angelegenheit“.
Für Alice Salomon stand fest, „dass soziale Hilfstätigkeit und gesellschaftliche Veränderungen der Wissenschaften bedürfen“.
1902 begann sie schließlich ihr Studium der Nationalökonomie, Geschichte und Philosophie an der Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin. Es war eine große Ausnahme, dass sie sich als Gasthörerin einschreiben konnte. Als Voraussetzung für den Besuch der Universität wurden ihre Publikationen anerkannt. 1906 promovierte sie, mit einer kontrovers diskutierten Arbeit über die Ursachen der ungleichen Entlohnung von Männer- und Frauenarbeit. Für Alice Salomon zeigte die ungleiche Entlohnung Gesetzmäßigkeiten, die jedoch keine Naturgesetze seien und somit beseitigt werden könnten. Ungleiche Entlohnung betrachtete sie als Folge der „regelmäßig noch vorherrschenden Teilung der Familienfunktionen zwischen Männern und Frauen in Erwerbsarbeit einerseits und Hausverwaltung und Erziehung andererseits“. Ziel müsse es sein, der Frauenarbeit ihren dilettantischen, provisorischen und zufälligen Charakter zu nehmen.
Alice Salomon gründete 1908 die erste interkonfessionelle Soziale Frauenschule in Berlin
Die Ergebnisse ihrer Erfahrungen veranlassten sie 1908 zur Gründung der ersten interkonfessionellen Sozialen Frauenschule in Berlin, die sie bis 1925 leitete. Zu diesem Zeitpunkt hatte Soziale Arbeit als moderner Beruf für Frauen bereits erste Konturen und eine zunehmende Anerkennung gewonnen. Der Ruf, nach bezahlter Fürsorgetätigkeit für Frauen, wurde lauter. Im Rahmen einer weiteren Professionalisierung der Ausbildung zur Sozialen Arbeit entwickelte Alice Salomon die akademische Weiterbildung für Frauen. Neben der sozialen Frage ging es ihr um den „Kampf um die Frauenbildung“ und die „Vergesellschaftung weiblicher Arbeitsbereiche“. Schon wenige Jahre nach der Eröffnung der Schule reichten die zur Verfügung stehenden Räume nicht mehr aus.
Alice Salomon veranlasste den Bau eines neuen Schulgebäudes, das im Oktober 1914 eröffnet wurde. Im August desselben Jahres konvertierte sie zum Protestantismus. Elemente der protestantischen Sozialethik wurden eine wichtige Grundlage ihrer Arbeit. Bis zum Ersten Weltkrieg wurden 14 weitere Soziale Frauenschulen in verschiedenen Städten gegründet. 1925 gründete Alice Salomon die „Deutsche Akademie für soziale und pädagogische Frauenarbeit“. Mit dieser Akademie wurden erstmals erhöhte Professionalisierungsansprüche an den sozial-pädagogischen Beruf gestellt. Sie wurde die erste Vorsitzende und war Herausgeberin einer Schriften- und Forschungsreihe. 1929 war sie maßgeblich an der Gründung des Internationalen Komitees sozialer Schulen beteiligt, dessen Vorsitzende sie über 1933 hinaus war.
Sie war inzwischen zu eine der führenden und einflussreichsten Sozialpolitikerinnen und Frauenrechtlerinnen in Deutschland aufgestiegen.
1933 wurde die Akademie in einer geheimen Sitzung von ihr aufgelöst, um der Liquidierung durch die nationalsozialistische Regierung zu entgehen und die jüdischen Mitarbeiterinnen zu schützen. Im gleichen Jahr verlor sie alle öffentlichen Ämter in Deutschland. Erfolglos versuchten die NS-Behörden, auch ihre internationalen Ämter zu annullieren. Die Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin verlieh ihr den medizinischen Ehrendoktortitel Dr. med. h.c., das preußische Staatsministerium übergab ihr die Silberne Staatsmedaille und die Soziale Frauenschule Berlin erhielt den Namen Alice-Salomon-Schule. Vier Jahre später wurde sie von den Nationalsozialisten zur Auswanderung gezwungen.
Alice Salomon musste in die USA emigrieren. Sie besaß in den USA eine hohe Reputation, dennoch erhielt sie keine Arbeitsangebote. Zwar wurde sie fünf Jahre später auf dem Papier zur Amerikanerin, aber sie hatte ihre Heimat verloren und konnte auch in den USA keine Neue finden. Bis zu ihrem Tod am 30.August 1948 in New York City arbeitete sie in zunehmender Einsamkeit und Isolation an ihren Memoiren.
„Ich kann nicht länger daran zweifeln, dass all die Reformen, die wir erreicht haben, zunichte gemacht werden, wenn nicht Frauen als Leiterinnen in die verschiedenen Zweige des öffentlichen Dienstes berufen werden.“
Alice Salomon gilt als einflussreiche Vertreterin der bürgerlichen Frauenbewegung und sie ist eine bedeutende Begründerin in der Entwicklung von Ausbildung und Praxis der Sozialen Arbeit. Von ihr gegründete Einrichtungen und Organisationen im Bereich der Sozialen Ausbildung existieren noch heute. Ihr schriftliches Werk umfasst mehr als 550 Titel. Ihr Name fehlt in keiner soliden Veröffentlichung über die Geschichte der Sozialen Arbeit. Diverse Fachschulen in ganz Deutschland, eine Grünanlage und ein Platz in Berlin und eine Straße in Freiburg tragen ihren Namen. Dank ihres großen Kämpfergeists, ihrer Klugheit und ihrer Weitsicht, zählt sie heute zu den bedeutendsten Frauenrechtlerinnen und Sozialreformerinnen. Sie erkämpfte sich ein Studium, eine Promotion, gründete Lehrinstitutionen und Vereine und machte immer wieder auf soziale Ungleichheiten und Missstände aufmerksam. Grund genug an ihre außergewöhnliche Lebensgeschichte zu erinnern.
Bis zum nächsten Mittwoch
Eure Antonia xx